Die Kernessenz. Augenblick
Jeder Beruf bringt Büroarbeit mit sich. Wir sitzen vor Bildschirmen, tippen um die Wette, hangeln uns von Telefonat zu Telefonat, von Mail zu Mail, von Termin zu Termin. Unser Leben ist durchgetaktet und wir leben nach dem Kalender.
Die Enge, die in dem Film durch die Balken suggeriert wird, repräsentiert das Einengen des kreativen Kopfes, des Verstandes. Wir sind begrenzt auf das, was wir in unserer Tagtäglichkeit sehen und erleben und sind somit gezwungen, falls wir kreativ werden wollen, unsere Inspiration aus Kaffeekochern, Tastaturen und tickenden Uhren zu ziehen. Der Mensch, gefangen in der artifiziell geschaffenen Umgebung, hat wenig Berührungspunkte mit der Natur. Man versucht, auszubrechen.
Doch es gibt einen Weg aus all dem. Der Beruf des Fotografen ist nämlich mehr als nur das. Mehr als "nur Büro". Denn plötzlich sind da keine Balken mehr. Plötzlich wird wieder das ganze Bild ausgefüllt und wir sehen Weite. Wir atmen durch. Wir fühlen uns freier, weniger eingeengt, haben das Gefühl, dass es da doch mehr gibt als den Mikrokosmos hinter unseren Schreibtischen.
Durch diesen Beruf nimmt man nämlich ganz andere Momente mit. Momente, die in ihrer Einzigartigkeit magisch sind und somit an Signifikanz für uns gewinnen. Blickwinkel, die anderen verborgen bleiben. Unabhängig, ob man dafür um drei Uhr morgens aufgestanden ist und sich hundemüde hinter das Steuer setzt, um zur Location zu kommen.
Gezeigt wird nicht der Moment der Aufnahme, sondern der Augenblick dazwischen. Der Augenblick, in dem wir innehalten und die Szenerie in uns aufnehmen. Auf uns wirken lassen. Der Moment, der nicht durch ein Foto festgehalten wird, sondern in unseren Köpfen. Der Moment, der somit immer lebt und später mittels der Fotos wieder in Erinnerung gerufen wird. Wir sehen nicht, ob der Auslöser der Kamera betätigt wird, und dennoch wissen wir, wenn wir das Auge des Fotografen sehen, dass dieser Moment festgehalten ist. Was auch immer der Fotograf in diesem Moment sieht – ein Bild, welches dem Zuschauer verborgen bleibt – dieser Moment wird in seinem Kopf weiterexistieren. Eingefangen ist in dem Moment nicht nur das, was wir sehen, sondern wir nehmen diesen Augenblick in all seiner Tiefe wahr. Das Gefühl von frischer Morgenluft, die die Lungen füllt. Der Geruch von Morgentau auf frischem Holz. Das Geräusch von Grillenzirpen in der Entfernung. Das Innehalten und Wahrnehmen ist Quelle der Inspiration. Es geht um den Faktor Mensch und die Wertschätzung für Ästhetik, für Momente, die uns das Herz erwärmen, für Augenblicke, die uns in ihrer Schönheit begeistern, dass sie uns am Leben fühlen lassen. Feiner Morgennebel, der sich in Tannen verfängt. Wälder aus Perspektiven, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben. Monumentale Bergpanoramen, zwischen deren Spitzen sich Wolken hindurchschleichen und an deren Fuß sich ein See erstreckt.
Türkisblaues Wasser, welches sanfte Wellen schlägt.
Augenblicke, die einem die Schönheit des Lebens aufzeigen.
Augenblicke, die dazwischen passieren.
Augenblicke, die uns fühlen lassen.
Und was hat Goethe damit zu tun?
"Dann ist Vergangenheit beständig"
Fotografie ist ein magisches Medium, das Erinnerungen in uns weckt. Wenn sie einen emotionalen Stellenwert bei uns einnehmen, dienen sie oft auch als Erinnerungsstütze an Gefühle, die wir in der Vergangenheit schon einmal gefühlt hatten.
"das Künftige voraus lebendig,"
Mit "Das Künftige" ist in diesem Fall nicht gemeint, dass einem zusätzlich noch die Zukunft offenbart wird. Stattdessen ist damit die Gewissheit gemeint, dass es immer wieder solche Momente geben wird. Es wird immer wieder Augenblicke wie diese geben, die einen innehalten lassen, um die Szenerie in sich aufzunehmen.
"der Augenblick ist Ewigkeit."
Wie schon zuvor erwähnt, ist der Augenblick durch das Wahrnehmen dieses Momentes in all seiner Tiefe Ewigkeit. Die Fotografie, die im folgenden Atemzug entsteht (und in diesem Kurzfilm bewusst nicht gezeigt wird), dient mehr als Gedankenstütze, statt als Manifest an diesen Augenblick. Im Kopf ist dieser Augenblick Ewigkeit, mit all den Gefühlen und Sinneswahrnehmungen, die damit einhergehen.